Trauer um Verlust dörflicher Lebensqualität
Dörfliche Ruhe und Stille sowie frische Landluft gehen mit Aufnahme des Autobahnbetriebs unwiederbringlich verloren

Die offizielle Eröffnung der A 4 erlebt die Initiative BFB als einen „Schwarzen Tag für unser Dorf – und eine bittere Stunde für unser Demokratieverständnis. Wir werden gezwungen die Stille in Buir, unsere Nachtruhe, "Schlafen bei offenem Fenster", Landluft, Gesundheit, Immobilienwerte, und damit vieles, was das Dorfambiente ausmacht, symbolisch zu Grabe zu tragen. Dies werden wir dem Anlass angemessen getragen und in aller Stille – aber deutlich sichtbar - tun, um damit zum Ausdruck zu bringen, wie uns zu Mute ist.“

 

Ungehaltene Rede - ungehaltener Bürger

Im Vorfeld hatte sich die Initiative darum bemüht, dass Peter Abels, ehemaliger Kläger gegen die Autobahn, stellvertretend für die mehr als 1.200 Bürger_innen, die einen Einwand gegen das Projekt erhoben hatten, als Redner beim offiziellen Festakt berücksichtigt wird. Im Antwortschreiben von Straßen NRW wurde dies versagt, mit dem Hinweis, dass dies ministeriell nicht erwünscht sei. Daher plant Peter Abels nun, die ungehaltene Rede beim Festakt offiziell an Minister Groschek zu überreichen.

Zitat aus Peter Abels ungehaltener Rede: „Dieser Autobahnbau und der Bau der Hambachbahn sind Beispiele dafür, wie man Projekte mit aktiver Beteiligung der Bürger nicht führen darf. Diese Projekte sind Beispiele dafür, dass man seitens Politik und Verwaltung nur einseitig auf die Interessen eines Wirtschaftsunternehmens, in diesem Falle der RWE Power AG, hört, und alles andere dessen Interessen unterordnet.“

Auch an ein Präsent für den RWE-Vorstandsvorsitzenden Hartung haben die Buirer gedacht: „Es ist wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass RWE der Verursacher all dieser Maßnahmen ist, die Buir so belasten. Selbst vom All aus kann man die Wunden sehen, die der Konzern mit seinen Tagebauen unsere Erde zufügt. RWE ist für uns u.a. der Totengräber der Buirer Lebensqualität, des Hambacher Forstes und des Klimas, und zwar nicht nur im meteorologischen Kontext“, ergänzt Antje Grothus.

 

Große Betroffenheit

Das Team der Initiative findet es besonders tragisch, dass die Werte, die die Gutachten ergeben hätten, schon heute übertroffen würden. Fast alles, was man an Bedenken vorgetragen habe, sei bereits jetzt Realität. Dazu führt Peter Abels folgende Beispiele auf: „Es wurden Verkehrsprognosen erstellt, die nachweislich methodisch falsch waren und bei richtiger Betrachtungsweise zu schärferen Auflagen hinsichtlich des Lärm- und Schadstoffschutzes auf der gewählten Trasse hätten führen müssen. Selbst die von den Bürgern damals vorgebrachten deutlich höheren Auslastungszahlen werden mittlerweile durch die aktuelle Verkehrsprognosezahl übertroffen. Aber auch im Kleinen werden unsere Bedenken bestätigt. Unser Argument, die Verlegung A44/A61 durch den Tagebau Garzweiler würde zu einer Umleitung des Verkehrs aus Eindhoven über die A4 führen, ist mittlerweile Realität. Das, was Straßen-NRW vor dem Bundesverwaltungsgericht damals lauthals negierte, lässt sich heute an holländischen Verkehrsschildern ablesen.“

Abgesehen vom sichtbaren Schmutz ist bereits jetzt die Qualität der Atemluft durch den Tagebau und die Braunkohlekraftwerke in der Region extrem belastet. Zu dieser Vorbelastung insbesondere durch Feinstaub, kommen nun die Feinstaubemmisionen, sowie Stickoxyde und natürlich Lärm und Licht vom Autobahnverkehr.

 

Möglichkeiten zur Belastungsminimierung wurden und werden nicht genutzt

Alles, was einen deutlich besseren Schutz für die Menschen in Buir bedeutet hätte, wurde und wird den Dorfbewohner_innen immer noch versagt. Der Landesbetrieb ließ die Nutzung der Lärmschutzwände für Solarmodule nicht zu, mit Hilfe deren Einnahmen die Bürger_innen der Genossenschaft Sonnenwaende dem Ort und sich selbst mehr Lärmschutz selbst finanzieren wollten. Und nun belastet man die Menschen bereits ab 2014 mit dem Autobahnbetrieb, obwohl die Bagger von RWE, wenn überhaupt, frühestens 2017 an der alten Autobahntrasse stehen werden.

 

Intensiver ehrenamtlicher Einsatz für die Lebensqualität

Beinahe 10 Jahre lang haben sich die Buirer Aktiven, ab Ende 2007 in Vereinsform, nimmermüde darum bemüht, bürgerschaftlich aktiv die Interessen Buirs zu vertreten. Sie bereicherten das kulturelle Leben in Buir und gaben Gutachten in Auftrag, um sich fachlich fundiert auch für die Vereinsziele Erhaltung der Natur, Reinhaltung der Luft und Bekämpfung des Lärms einsetzen zu können.

„Unsere Einstellung war immer, nicht gegen etwas oder wen anzutreten, sondern FÜR den Erhalt unserer Lebensqualität. Unsere sehr unerfreulichen Erfahrungen mit dem Konzern RWE haben aber dazu geführt, dass wir uns mittlerweile auch als Teil der wachsenden Anti-Braunkohlebewegung verstehen, und daher weiterhin für Buir, aber auch für die Erhaltung unserer Schöpfung, der Umwelt und des Klimas weltweit einsetzen werden,“ erklärt Andreas Büttgen, erster Vorsitzender des Vereins.

 

Stadt Kerpen, RWE und der Landesbetrieb Straßen treten Gefühle und Befindlichkeiten der Buirer mit Füßen“ (Andreas Büttgen)

Mehr als zynisch empfinden die Bürger „Baum-Lehrpfad“ mit den Bäumen des Jahres und entsprechenden Hinweistafeln längs des neuen Autobahnabschnittes, während ein paar Hundert Meter daneben RWE den jahrtausendalten Hambacher Forst komplett vernichtet.

Besonders enttäuscht sind die Buirer noch immer über das Verhalten der Bürgermeisterin Sieburg: „In einer Bürgerinformation an alle Haushalte hatte sie im Vorfeld der Klage gemeinsam mit dem damaligen Ortsvorsteher Philippi davor gewarnt, Klagen zu unterstützen und den Verzicht einer Klage der Stadt Kerpen damit begründet, dann Gefahr zu laufen, in Zukunft auf „freiwillige Leistungen“ des Energiekonzerns RWE verzichten zu müssen. Das, was nun als freiwillige Leistung gemeinsam von Stadt und RWE verkauft wird, ist mangelhaft ausgeführt, unzureichend und kann keinesfalls das Verhalten der Stadt im A 4 Verfahren rechtfertigen oder RWE aus der Verantwortung entlassen“, mahnt Büttgen an.

Der zweite Vorsitzende Dr. Stefan Schlang ergänzt, dass man nach und nach habe lernen müssen, dass RWE den überwiegenden Teil der Politik und Verwaltungs-strukturen im Griff habe und nicht nur bei örtlichen Vereinen für Abhängigkeiten durch Zuwendungen sorge. Mit diesem Wissen würde man sich aber auch in Zukunft nicht einfach so abfinden, sondern weiterhin darauf hinweisen und wachsam unterwegs sein. „Wir würden gerne stärker mit der Stadt zusammenarbeiten – allerdings im Bürgerinteresse“ so Schlang. „Daher hatten wir auch die Gründung des Arbeitskreises Tagebau Buir angestoßen, um frühzeitig Belastungen für Buir erkennen und minimieren zu können. Auch zahlreiche Bürgeranträge haben wir in diesem Sinne eingebracht. Erfahren mussten wir aber, dass die wirtschaftlichen Interessen von RWE höher bewertet werden als Bürgerinteressen“.

 

Pressemitteilung der Initiative Buirer für Buir vom 15.09.2014